Ulm News, 13.05.2015 15:50
Fachtag Schulterschluss 2015 - Ulmer Netzwerk für die Schnittstelle zwischen Sucht- und Jugendhilfe
Alkohol-Probleme werden immer noch tabuisiert. Das ist in Familien besonders problematisch, denn Kinder von suchtkranken Eltern haben ein vielfach höheres Risiko, selbst süchtig zu werden und unter Entwicklungsstörungen zu leiden. Um für diese Thematik auch in Fachkreisen zu sensibilisieren, wurde der „Fachtag Schulterschluss 2015“ ins Leben gerufen, der kürzlich beim Arbeiter-Samariter-Bund Region Ulm in den Räumen der ASB Jugendhilfe im Grimmelfinger Weg stattfand.
Geladen wurden dazu nicht nur Fachreferenten aus dem medizinischen Bereich, wie Marion Schünemann, Assistenzärztin der Kinderklinik und Susanne Betzler, vom dortigen psychologischen Dienst und Mitglied der „Kinderschutzgruppe“, es wurde auch viel Wert auf Gespräche, Diskussionen und Austauschmöglichkeiten gelegt. Jochen Heilemann, Leiter der ASB-Jugendhilfe, betonte die Bedeutung der interaktiven Vernetzung aller Beteiligten, um Betroffenen Kindern und Jugendlichen schnell, wirksam und langfristig helfen zu können. „Jedes 7. Kind ist von der Alkoholstörung eines Elternteiles betroffen“, erklärt Bernd Tiltscher von der Suchtberatungsstelle der Caritas Ulm in seinem Impulsreferat „Lebenssituation von Kindern aus suchtbelasteten Familien“. Damit hätten diese Kinder ein bis zu 6-fach höheres Risiko, eigene Suchtstörungen zu entwickeln und langfristig unter psychischen Beeinträchtigungen zu leiden. Das einzig Zuverlässige für diese Kinder sei die Unzuverlässigkeit. „Diese Kinder bewegen sich jahrelang zwischen neuer Hoffnung und wiederkehrender Enttäuschung. Holt mich die Mama ab? Kann ich eine Freundin mitbringen oder ist Papa wieder betrunken?“ In manchen Familien wechselten auch die Rollen, die Kinder entschuldigen die Eltern bei der Arbeit und übernähmen die Verantwortung für viele Dinge. Diesen Eltern vorzuwerfen, sie liebten ihre Kinder nicht, wäre aber völlig falsch. „Das Problem ist, dass die Sucht meist jahrelang verdrängt wird. Die Fokussierung auf das Suchtmittel zieht dem betroffenen Elternteil immens viel Energie ab, Aufmerksamkeit und Zuwendung fehlen dann im Umgang mit dem Kind.“ Wie unterschiedlich die Lebenswege von Suchterkrankungen sein können, berichteten zwei geladene Betroffene, die in einem Interview mit Bernd Tiltscher Frage und Antwort standen. Für Uli Blessmann fing die Sucht sehr früh und eher harmlos an. „Als Jugendlicher trinkt man mal ein paar Bier und merkt, dass so manche Prüfung dadurch leichter geht oder man sich den Mädchen mit weniger Scheu annähern kann. Das ist das Perfide am Alkohol.“ Bereits mit vierzehn Jahren folgte sein erster stationärer Aufenthalt mit Entgiftung. Mit Anfang zwanzig war er bereits abhängig und blieb dies – mit kleinen Trinkpausen – achtunddreißig Jahre lang. Als Selbstständiger konnte er trotzdem seiner Arbeit nachgehen und lebte mit Familie und drei Kindern ein scheinbar normales Leben. „In gewissen Phasen hat mich der Alkohol auch am Leben gehalten.“ Erst als sein Körper kurz vor dem Versagen war, gestand er sich die Sucht ein, machte zu Hause einen kalten Entzug und ist seitdem trocken. Bei Ingrid Höttges war ein Arbeitsplatzverlust das auslösende Element. Mit zwei kleinen Kindern waren ihre Chancen auf eine neue Anstellung gering und sie wurde trotz zahlreicher Bewerbungen immer wieder zurück gewiesen. Als aus dem anfänglichen Bier am Abend innerhalb von zwei Jahren eine Flasche Wodka am Tag wurde, suchte sie bewusst Hilfe. „Ich ging stets offen mit meiner Sucht um, gerade auch weil ich schnell merkte, dass Frauen das sehr selten tun. Dabei braucht die Alkoholsucht auch ein weibliches Gesicht.“ Sie machte eine dreiwöchige qualifizierte Entgiftung und ging danach in eine Tagesklinik. Beide engagieren sich seitdem sie selbst ihre Sucht erfolgreich bekämpft haben in Selbsthilfegruppen. „Die Kinder entwickeln ihre Strategien gegenüber der Sucht. Oft braucht die Annährung zueinander genauso lange, wie die Sucht selbst gedauert hat. Die Kinder müss en nachträglich nachreifen“, erzählt Uli Blessmann. Auch Ingrid Höttges merkt, wie erst langsam wieder das Vertrauen ihrer beiden Kinder, die heute acht und zwölf sind, zu ihr wächst. „Es braucht aber seine Zeit.“ Beide stellen fest, dass auch in der Jugendhilfe manchmal zu wenig Wissen über Süchte und Auswirkungen auf alle direkt und indirekt betroffenen Beteiligten herrsche. Ein Grund mehr, um die Jugend-, Sucht- und Drogenhilfe zu vernetzen und Jugendliche mit Alkoholproblemen auch gezielt nach der häuslichen Situation zu befragen. Susanne Betzler vom Sozialdienst in der Kinderklinik spricht mit diesen Kindern, wenn sie stationär aufgenommen werden müssen. „Da habe ich schon mal die Antwort gehört, dass ich bezüglich Sucht mal eher mit den Eltern reden müsse.“



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